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Carpe diem. Zwei Gedichte

Der Tag lässt sich übrigens auch pflücken, indem man sich auf einer notwendigen Fahrt von der Schönheit der Natur überraschen lässt. Flüchtig bleiben die Erinnerungsbilder, durch die Frontscheibe des Fahrzeugs festgehalten, wie hier die Marktleuthener Eckenmühle und die vorangegangene Aufnahme aus Neumühle.

Carpe diem!

 

Pflück, rät der Römer, ja, pflücke den Tag!

Pflück ihn, doch lass ihn auch reifen!

Wer vor der Zeit schon ihn abreißen mag,

wird ihn wohl flüchtig nur streifen.

 

Pflück vom Kalender das gestrige Blatt,

trenn dich davon, aber lächle.

Dass er das  Seine geliefert hat,

scheint das dir heut nur als „Sächle“?

 

Du lässt es sacken und stellst dabei fest

Ein Bruchteil war gleich zu begreifen.

Ob du ihm nachspürst, oder es lässt,

musst dich darauf nicht versteifen.

 

Pflücke den Tag! - Ach, wie sollt ich ihn pflücken?

Greif ich am Stiel, fass mit Stil ich ihn an?

Halt ich ihn? Geb ich ihn, dich zu beglücken,

weiter dir, wenn ich das überhaupt kann?

 

Staunend hauch ich: Ach, verweil, bist du schön!

Sinds nicht der Augenblicke zu viel,

durch die wir täglich, tagtäglich gehn?,

Halten der  Schönheit - ist das das Ziel?

 

Pflücke den Tag, denn nur heute ist er.,

Je nachdem, was du aus ihm machst,

kann er dir bleiben, verfliegen nachher.

So gib heute acht, ob du weinst oder lachst.

 

CH, 31.1.2022

 

 

Carpe diem?

 

Der Hedonismus sei mir fern.

Genauso die Askese.

Genießen, ach das hab ich gern,

doch maßvoll, so genese

ich - ach, wenn ich das nur lern!

Doch meine Anamnese

weiß von den Grenzen nichts im Kern.

Bedenk ich manche These,

Gottes Geschenk nicht auszusperrn,

wahrnehmen Wälder, Felder, Stern …

So viel ich seh und lese,

mich freuen, loben meinen Herrn,

will ich, bis ich verwese.

 

CH, 1.2.2022

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