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Charkiw: Wir sind Ukraine

Morgenstimmung an der Landwirtschaftsstraße von Herzberg (Mark) nach Schönberg

Die Charkiwer Dichterin Natalia Sidlar-Dubowa habe ich hier schon wiederholt erwähnt. Sie beeindruckt mich durch ihr unermüdliches Engagement in der Dichtergruppe Gesamtukrainische Poetische Familie und mit ihrem aufopfernden, zivilen Einsatz zur Unterstützung von Soldaten und Binnenflüchtlingen. Seit einiger Zeit ist sie selbst Binnenflüchtling. Ihre Texte gehen mir sehr nah. Neulich, am 4. April, ihrem Geburtstag, verfasste sie folgendes Gedicht:

 

Und es kühlt ab der Frühling vor Schmerz:

Als seine Schönheit erblüht.

Schon wieder muss er empfangen den Krieg,

Wo der friedliche Tag in Tränen steht.

 

Wo den blauen Himmel die Wolken verdecken,

Nicht können sie retten vor diesen Raketen.

Kinder wurden zu Engeln … Die Eltern weinten.

Und die Medien beschrieben ein neues Sujet.

 

Der Frühling in Trauer in Kryvyi Rih,

Cherson ward erschreckt vom Lande der Mörder.

Erstorben ist meine Stadt im Alarm …

Leuchtender Nachthimmel … Ein Haufen Hülsen …

 

4.04.2025

Natalia Sidlar-Dubova

#Charkiv_Wir_sind_Ukraine_Krieg

 

 

І студеніє весна від болю:

Коли квітує її краса.

Зустрілась вкотре вона з війною,

Де мирна днина стоїть в сльозах,

 

Де синє небо закрили хмари,

Що не врятують від цих ракет.

Заянголило... Батьки ридали.

А ЗМІ писали новий сюжет.

 

Весна в зажурі в Кривому Розі,

Херсон лякає країна вбивць.

Завмерло місто моє в тривозі...

Нічна заграва і... купа гільз...

 

 

 

4.04.2025

Наталія Сідларь-Дубова

#Харків_Ми_Україна_війна

 

 

 

Um das Gedicht möglichst genau zu übersetzen, schrieb ich die Autorin gestern via Messenger an. Denn bezüglich einiger Begriffe war ich mir nicht sicher, ob ich wirklich die richtige Bedeutungsnuance gewählt hatte. Zu meiner Überraschung antwortete sie mir umgehend, und zwar in Form von Sprachnachrichten. Wie oft hatte ich sie bei Onlineveranstaltungen der Gruppe schon live erlebt, voll ansteckenden Elans, Empathie und Ermutigung für Zuhörer und Zuschauer. Doch jetzt klang ihre Stimme zwar zart, aber auch sehr leise, so als ob sie Anwesende nicht stören wolle. Und es schwang so viel Traurigkeit und Erschöpfung mit!
Damit Ihr ihre augenblickliche Lebenslage und das folgende Gedicht besser verstehen könnt, muss ich nicht weit ausholen. Niemand drückt es plastischer aus als sie selbst, wie zum Beispiel in ihrem Facebookeintrag von heute Nacht:
"Es ist nicht möglich, den Schmerz wie unter einer Decke zu verbergen. Sogar meine Tränen sind seit langem schon versiegt. Es schrie sich in jenen Tagen aus mir heraus, als ich die Benachrichtigung erhielt, er gelte als vermisst ... Vermisst!
Darf denn so etwas geschehen, dass man nichts von seinem eigenen Kinde weiß? Keiner sagt dir, was passiert ist, aber dein Sohn ... Du kannst nicht mehr schlafen ... Irgendwie kommt es dir vor, als ob dir mit der Zeit seine Gesichtszüge verblassen. Aus deinen Gesprächen mit ihm oder aus früherer Zeit kommt dir nichts mehr in Erinnerung ...
Es ist beängstigend. Bloß nun nicht mehr durch das Sirenengeheul oder wegen der auf Telegram gelesenen Mitteilung über einen drohenden ballistischen Angriff. Einfach ... gestern war eine Beerdigung und dort beschlich dich das dir Bewusstwerden eines merkwürdigen, irrationalen Neidgefühls. Ja, genau, ein anderes Wort kannst du nicht finden, um es zu erläutern. Du schämst dich nur einen Moment lang dafür, weil die Angehörigen dieser gefallenen Beschützer der Heimat jetzt Bescheid wissen und nicht mehr auf eine Nachricht warten müssen, wie du. Sie suchen nicht mehr, sie halten nicht mehr Ausschau nach ihnen ...
Du bist neidisch, denn die Ungewissheit zermalmt dein Herz in tausend Splitter: Ist dein Sohn am Leben und verwundet in Gefangenschaft, oder doch schon ermordet?
Du siehst den Abend aus dem Fenster, erhellt von Lampen. Und flehst: "Herr, bring meinen Sohn zurück! Lebendig ... oder tot .. aber bring ihn zurück!"

 

 

„Mit dem Fleisch haben sie mich aus meinem Hause gerissen“

Olga Krysvhtopa

 

 

Es tut nicht weh, weil‘ s nicht mehr int´ressiert,

Wie im Gebäude sich das Leben wandelte,

Ob er zum Frühstück frisch gebrühten Kaffee trinkt,

Der Fremde, der meine Zukunft änderte. 

 

Ich bin nicht fremd hier, doch eine Obdachlose heute,

Die an der Ofentür des Krieges sich nach Ruhe sehnt.

Neben mir träumt jemand materielle Sicherheit,

Ich jedoch … am Fenster warte ich auf meine Söhne.

 

Mein Feind verbirgt die hinterlass´nen Bücher, denn

Ihm scheint, sie haben hundert Sommer schon gesehen.

Verkauft oder verbrennt er sie … ich weiß es nicht.

Mich int´ressiert es nicht … doch weh tut mir das Herz ...

 

Natalia Sidlar-Dubova

1.04. 2025

#Zufällige_nicht_zufällige_Spontangedichte

 

 

 

 

Neuruppin, Friedrich-Engels-Straße

 

«Мене виривали з м'ясом із мого дому»

Ольга Криштопа

 

 

***

 

Мені не болить бо уже не цікаво,

Як у будинку змінилось життя,

Чи п'є на сніданок заварену каву

Чужинець, змінивши моє майбуття.

 

Я тут не чужа, та сьогодні – безхатько,

Що мріє про спокій у жерлі війни.

І хтось біля мене рахує ще статки,

А я... Виглядаю синів у вікні.

 

Покинуті книги мій ворог сховає,

Бо їм понад сотню, здається, вже літ.

Чи може продасть або спалить... не знаю.

Мені не цікаво, та.. серце болить...

 

1.04. 2025

Наталія Сідларь-Дубова

#Випадкові_не_випадкові_експромти

 

 

 

 

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